Yoga, die Mitte finden und der Verstand
Der ganze Yoga ist nichts als ein Vorgang der Zentrierung, ein Zugehen auf deine Mitte, ein Verweilen in dieser Mitte. Es verändert sich die ganze Perpektive.
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Im Bewusstsein zentriert sein heißt, die spontane Meisterschaft über den Verstand zu erfahren. Versucht also nicht, euren Verstand zu kontrollieren.
Sprachlich mag euch das verwirren.
… Nichts ist verkehrt mit dem Verstand, nichts ist verkehrt mit den Gedanken. Wenn etwas verkehrt ist, dann ist es, an der Oberfläche zu bleiben, denn
dann kennst du nicht das Ganze und leidest unnötigerweise wegen des Teils und der bruchstückhaften Wahrnehmung. Es bedarf einer ganzheitlichen
Wahrnehmung und das ist nur vom Zentrum aus möglich. Vom Zentrum aus kannst du dich umsehen in alle Dimensionen, in alle Richtungen des gesamten Umfangs des Seins.
Anders betrachtet ist der Verstand wie Staub, der sich auf den Kleidern eines Reisenden ansammelt. Und du bist gereist, und gereist und gereist,
Millionen Leben lang, und hast niemals ein Bad genommen. Klar, eine Menge Staub hat sich angesammelt - nichts ist falsch daran; muss so sein - Schichten
von Staub, und du denkst, dass diese Schichten deine Persönlichkeit wären. Du bist so mit ihnen identifiziert, du hast so lange mit diesen Staubschichten gelebt, dass sie wie deine Haut wirken. Du hast Dich identifiziert.
Verstand ist die Vergangenheit, die Erinnerung, der Staub. Jedermann muss ihn ansammeln. Wenn du reist, wirst du staubig. Aber es ist unnötig, sich
mit Staub zu identifizieren, mit ihm zu verschmelzen, denn wenn du mit ihm verschmilzt, dann gerätst du in Schwierigkeiten, weil du nicht der Staub bist, du bist Bewusstsein.
Genau das ist Yoga: Wie du deine Persönlichkeit loswerden kannst. Diese Persönlichkeit ist dein Kleid.
Von einem noch anderen Standpunkt aus betrachtet ist der Verstand die Vergangenheit, die Erinnerung, all die angesammelten Erfahrungen, sozusagen alles, was du getan hast, alles was du gedacht hast, alles was du begehrt hast, alles was du geträumt hast - alles, deine komplette Vergangenheit, deine Erinnerungen. Erinnerungen sind Verstand. Und solange du nicht die Erinnerungen loswirst, wirst du nicht in der Lage sein, den Verstand zu kontrollieren.
Wie die Erinnerungen loswerden? Sie sind dir immer auf den Fersen. Tatsächlich bist du die Erinnerung, wie also sie loswerden? Wer bist du außer deinen Erinnerungen? Wenn ich dich frage: “Wer bist du?” nennst du mir deinen Namen. Das ist deine Erinnerung. Deine Eltern haben dir diesen Namen vor einiger Zeit gegeben. Ich frage dich: “Wer bist du?” und du erzählst von deiner Familie: Deinem Vater, deiner Mutter. Das ist Erinnerung. Ich frage Dich: “Wer bist du?”, und du erzählst von deiner Ausbildung, von deinen Abschlüssen… Das ist Erinnerung.
Wenn du wirklich in dich hineinschaust, wenn ich dich frage: “Wer bist du?”, kann deine einzige Antwort “Ich weiss nicht” sein. Was auch immer du sagen wirst, wird Erinnerung sein, nicht du. Die einzige wirklich authentische Antwort kann nur “Ich weiß nicht” sein, denn sich selbst zu erkennen ist der letzte Schritt.
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Je mehr du dich deiner Mitte näherst, wirst du mit der Zeit sehen, wie dein Verstand zunehmend an Verwirrtheit verliert. Alles findet seinen Platz, alles reiht sich richtig ein. Plötzlich entsteht eine gewisse Odnung.
All die Unruhe, die verwirrenden, kreuz und quer verlaufenden Gedankenströme - all das legt sich plötzlich. Gerade dieser Punkt ist am schwersten zu verstehen: Dass deine ganze Verwirrung nur daher kommt, dass du immer an der Peripherie bleibst. Un du versuchst nun auch noch, deiner Verwirrung dadurch zu beheben, dass du dich an die Peripherie Klammerst!
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Niemand kann den Verstand in Ordnung bringen. Schon der Versuch Ordnung zu stiften, ergibt nur Chaos. Wer nur zuzuschauen und abzuwarten und unbeteiligt hinzusehen vermag, für den legt sich alles ganz von selbst. …
Im Reich der Dinge, der Wirklichkeit, ist nicht das eine wertvoller und das andere weniger wertvoll. Ihren Wert misst ihnen eurer Verstand bei. Nichts ist schön und nichts ist hässlich. Alle Ding sind, wie sie sind. Sie existieren in ihrem Sosein. Aber wenn du an der Peripherie lebst und dich mit deinen Vorstellungen identifizierst und zu sagen anfängst: "Das hier verstehe ich unter Schönheit!" und “Das hier verstehe ich unter Wahrheit!” - dann wird alles verzerrt.
Wenn ihr euch aber eurer Mitte annähert und eure Vorstellungswelten auf sich beruhen lasst und sie von der Mitte aus beobachtet, seid ihr nicht mehr mit ihnen identifiziert. Dann lösen sich nach und nach alle Vorstellungen auf, wird euer Verstand kristallklar.